Eine neue Umfrage zeigt, dass der Online-Boom mit dem gestiegenen Paketvolumen Konsequenzen bei der Belegschaft der Post hat. Die Gewerkschaften äussern aber noch weitere Kritik.
Die Post-Chefs klopften sich nach der «Cyber Week» auf die Schultern. Der Härtetest mit den Schnäppchen-Tagen Black Friday und Cyber Monday sei bestanden worden, schrieb der Bundesbetrieb in einem Communiqué. Innerhalb von 7 Tagen habe man 7,3 Millionen Pakete sortiert und zu den Kunden nach Hause gebracht. 24 Prozent mehr als im Vorjahr.
Auf die Schultern klopfen – danach dürfte es vielen Angestellten nicht zumute sein. Denn so manche Pöstler-Schulter dürfte dieser Tage lädiert sein. Der Päckli-Boom im Zuge des Onlineshoppings hinterlässt seine Spuren. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Umfrage der Gewerkschaft Syndicom beim Deutschschweizer Zustellpersonal der Post-Tochter Postlogistics, die sich um das Paketwesen kümmert.
Demnach beklagen sich rund 70 Prozent, dass sie das hohe Paketvolumen gesundheitlich «eher fest» oder «sehr fest» belastet. «Die Arbeiten der Paketzusteller und des Personals in den Sortierzentren sind sehr belastend», sagt Syndicom-Sprecher Matthias Loosli. «Es ist körperliche Schwerstarbeit, die täglich erbracht wird.»
Komme hinzu, dass die Post dieses Jahr die neuen Arbeitsabläufe WTS eingeführt habe – kurz für Wochen-Tag-Sortierung. Dieses sollte eigentlich das Personal entlasten beim Beladen der Wagen über mehrere Etagen hinweg. Nur: Der Prozess dauere nun länger und das anschliessende Entladen bei der Pakettour sei komplizierter geworden, sagt Loosli. «Rückenschmerzen sind die Folge.» So würden im Rahmen der Umfrage zwei Drittel der Belegschaft von negativen Auswirkungen auf die Gesundheit sprechen.
Laut Loosli ist auch die mentale Belastung nicht zu unterschätzen. «Das Personal ist sowieso bereits gestresst angesichts der steigenden Paketmenge, die sie bewältigen müssen. Wenn dann noch neue, komplizierte Prozesse eingeführt werden, belastet das zusätzlich.»
Die Weihnachtszeit sei zwar generell stressiger, da sich die Leute Geschenke schicken. Aber durch die Coronakrise sei der Online-Päckli-Boom zu einem Mega-Boom geworden. Trage ein Pöstler normalerweise 250 Pakete im Tag aus, seien es dieser Tage regelmässig über 300. Und da die Pandemie andauern dürfte, wird es laut Loosli für die Angestellten schwierig, ihre Überstunden aus den Festtagen wie üblich Anfang Jahr abzubauen.
Ein weiteres Problem, das mit den gesundheitlichen Beschwerden der Pöstler zusammenhängt, ist das Gewicht der Sendungen. Laut Suva-Empfehlungen sollten diese höchstens 25 Kilo schwer sein – je nach Alter und Geschlecht des Angestellten sind es weniger. «Doch wir erhalten zahlreiche Rückmeldungen von Pöstlern, die 30 oder sogar 40 Kilo schwere Pakete vor die Haustüre der Kunden schleppen müssen», sagt Loosli. Schliesslich lässt sich heute alles online bestellen, vom Plastik-Weihnachtsbaum bis zum Hantel-Set.
Gleichzeitig seien die Löhne in der Logistikbranche generell tief, sagt Loosli. Bei der Post liegt der Einstiegslohn für Zusteller etwa im Mittelland bei rund 4500 Franken im Monat. Zudem setze die Post falsche Anreize. Zurzeit empfehle sie ihren Paketboten, dass sie sich gegenseitig aushelfen sollen. Doch jeder Zusteller wolle seine Tour möglichst schnell absolvieren, da Leistungsprämien für rasche Angestellte winkten. «Wie soll man dann noch einem Kollegen andernorts aushelfen, wenn man selber schon überlastet ist?» Die Syndicom erwartet deshalb, dass die Post mehr Personal fest anstelle und die Löhne anhebe.
Zuletzt hat die Post gegenüber «Le Matin Dimanche» angekündigt, zusätzlich zu den 500 Stellen, welche dieses Jahr für das Paketgeschäft geschaffen wurden, 800 Leute im Dezember temporär anzustellen. Auf Anfrage sagt ein Sprecher, dass man sich der ausserordentlichen Leistung der Angestellten bewusst sei. «Die körperliche Belastung in der Paketzustellung und in der Sortierung ist hoch.» Deshalb investiere die Post in Prävention. So hätten Mitarbeitende die Möglichkeit, Massagen in Anspruch zu nehmen, einen Zugang zu Physiotherapeuten und Krafträumen. Zudem erhielten sie Anleitungen zum richtigen Tragen und Heben.
Dass es ein Anreizsystem für schnelle Touren gebe, stimme. Geschwindigkeit sei aber nur ein Kriterium, sagt der Sprecher. Auch die Qualität werde beurteilt. Dass die Post zu wenig Leute anstelle, treffe nicht zu. Man baue den Personalbestand «mit Hochdruck» aus. Die benötige aber Zeit. Und bei schweren Paketen gelte grundsätzlich die Obergrenze von 30 Kilo. Was darüber liegt, werde speziell verarbeitet oder als Stückgut transportiert. Die Erfahrung zeige aber, dass die Anzahl an Paketen über 25 Kilo verhältnismässig gering sei.